Um 1850 war das Ruhrtal bereits ein industrialisierter Raum. Zahlreiche Zechen förderten Steinkohle, die auf der 1780 schiffbar gemachten Ruhr zum Rhein transportiert wurde. Mit der Entdeckung von Eisensteinvorkommen bei Hattingen durch Friedrich Hellmich boten sich günstige Voraussetzungen für die Gründung moderner Eisenhüttenwerke. Dies erkannte auch Graf Henrich von Stolberg-Wernigerode. Seine Familie betrieb bereits im 16. Jahrhundert eine Eisengießerei in Ilsenburg – zunächst unter Heranziehung von Fachleuten aus dem Siegerland. Nun wiederholte sich die Wanderung in umgekehrter Richtung: Harzer Hüttenleute kamen an die Ruhr, um im Auftrag des Grafen Eisen zu schmelzen.
Carl Roth, der erste Hüttenmeister, griff seinerseits für den Bau der Hochöfen auf fortschrittliche belgische Technologie zurück. Er war es wohl auch, der vorschlug, das neue Werk nach seinem im Februar 1854 verstorbenen Auftraggeber zu benennen. Der Name Henrichshütte blieb dem Unternehmen trotz mehrfacher Besitzerwechsel bis zur Stilllegung.
Bereits 1857 wurde die Henrichshütte an die Berliner Discontogesellschaft verkauft. Das Berliner Bankhaus investierte zunächst in den weiteren Ausbau: Neben vier Hochöfen entstanden Kokereien und Gießereien, Walzwerke und Bearbeitungswerkstätten. Eines der letzten großen Bauvorhaben war 1872 die Errichtung eines modernen Bessemer-Stahlwerks, heute das älteste Gebäude auf dem Gelände des Industriemuseums. Wenig später wurde die Henrichshütte in die Dortmunder Union für Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie eingegliedert. Die hiermit verbundene Aufgabe der Selbstständigkeit und Einbindung in übergeordnete Konzernstrukturen führte in Verbindung mit der 1873 ausbrechenden Gründerkrise zu einschneidenden Veränderungen in Hattingen: Die Schienen- und Fluss-Stahlproduktion mussten nach Dortmund abgegeben werden – darunter das gerade erst in Betrieb gegangene Bessemer-Stahlwerk. Für die Henrichshütte begann eine Phase der Stagnation.
Aufschwung unter Henschel
Im Februar 1904 kaufte die in Kassel ansässige Lokomotiv- und Maschinenfabrik Henschel & Sohn die Henrichshütte. In wenigen Jahren wurde die Hütte mit enormem Kapitaleinsatz von Grund auf modernisiert. Die in den Hang getriebenen Materialbunker der Möllerung für die neuen Hochöfen und die Gaszentrale stammen aus dieser Zeit. Die modernen Gasmaschinen erzeugten jedoch nicht nur den für den Hochofenbetrieb notwendigen Heißwind, sondern auch elektrische Energie.
Überall auf dem Gelände entstanden vor dem Ersten Weltkrieg neue und moderne Anlagen: Kokerei, Walzwerk, Press- und Hammerwerk, Gießereien und Bearbeitungswerkstätten. Mit der Modernisierung der Hütte verbunden war eine Ausweitung der Produktpalette. In Hattingen entstanden Bleche und Rohre für den Lokomotivbau, die in Kassel weiterverarbeitet wurden – ebenso wie die auf der Henrichshütte produzierten Radsätze.
Die neuen Werksanlagen erlaubten aber auch größere Dimensionen: Schon 1907 waren Stahlformgussstücke bis zu 50 t Gewicht für Lokomotiv-, Maschinen- und Schiffbau im Angebot, darunter Walzenständer, Dampfhammerteile, Schiffssteven, Schiffsschrauben, Ruder und Anker. Schmiede und Bearbeitungswerkstatt lieferten Schiffswellen, Kurbelwellen, Turbinenwellen und Walzen. So legte Henschel mit der Neuausrichtung und Spezialisierung des Hüttenwerks ein belastbares Fundament für die Zukunft. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde das moderne und leistungsfähige Hüttenwerk erstmals Bestandteil der „Waffenschmiede“ des Deutschen Reichs. Bis zum Kriegsende wurden Granaten, Geschützrohre und Spezialbleche gefertigt.
Dem Kriegsende 1918 folgten unruhige Zeiten. Der weiterhin bestehende Bedarf an Eisenbahnmaterial erleichterte den Weg zurück in die Friedensproduktion. 1923 führten Inflation und Ruhrbesetzung zu einer zeitweiligen Stilllegung der Hütte, und auch die folgenden Jahre führten zu keiner wirtschaftlichen Verbesserung, so dass Henschel sich schließlich von der Henrichshütte trennte.